MILCH-Straße, Ella, 4 Jahre

Milchstraße, 17209 Stuer

Gute Aussichten in Dunkeldeutschland

Es gibt viele Gründe in Stuer zu wohnen oder Urlaub zu machen, in einer Landschaft mit Seen, interessanten Tieren und Pflanzen. Bei manchen Wetterlagen zeigt der Himmel eine spektakuläre Wolkenbildung.
Hier aber sei die Rede von einem außergewöhnlichen Nachthimmel.
Stuer liegt nämlich in einem der dunkelsten Teile Deutschlands, was heißt, noch weitgehend unbeeinflußt von den Auswirkungen künstlicher Beleuchtung. Das ermöglicht, dass in wolkenloser Nacht bei Abwesenheit von Mondlicht, also möglichst bei Neumond, eine Unzahl Sterne am Himmel zu sehen sind, wenn man sich darauf einlässt.

Sternenhimmel, Stuer,Mecklenburg, 27.10.2019 21:14:38
Sternenhimmel, Stuer, Mecklenburg, 27.10.2019 21:14:38 (Die Himmelsaufnahmen können gern ersetzt werden durch solche mit feinerer Aufnahmetechnik.)

Veränderung

Bis ins 19. Jahrhundert hinein, auf Dörfern bis ins 20., spendeten Fackeln, Kerzen und Öllampen kärgliches Licht. Das ging so 199 800 Jahre von den 200 000, in denen es Menschen auf der Erde gibt. Reichliches Licht war ein Luxusprodukt und dazu gefährlich. Es war kleinen wohlhabenden Schichten oder besonderen Ereignissen vorbehalten. Kerzenerleuchtete Gottesdienste in einer winterlichen Kirche, bei denen in noch bildarmer Zeit Altarbilder und Wandmalereien zu leben schienen, waren seltene und daher beeindruckende Ereignisse. Licht war gleichgesetzt mit Erleuchtung.

Während in Bad Stuer um die Jahrhundertwende um 1900 schon Strom erzeugt wurde, später in Stuer-Winkel und vielleicht auch in Neu-Stuer Insellösungen eingerichtet wurden, bekam Stuer erst zwischen 1954 und 56 Stromanschluss ans Netz und damit elektrisches Licht.

Selbstschädigung

Licht gilt, mit der damit einhergehenden Ausweitung von Arbeits- und Vergnügungszeiten, als Sinnbild für Fortschritt und Wohlstand.
Durch unsere erst seit Jahrzehnten maßlose Energieerzeugung und -verschwendung werden inzwischen die negativen Seiten von zu viel und andauerndem, zumal oft ungünstig eingestelltem künstlichen Licht erkannt.

Siehe:  D2_Gesundheit – Beispielposter der Wanderausstellung.pdf

Weil sich das Leben auf der Erde in Jahrmillionen an den Rhythmus von Dunkelheit und Helligkeit anpasste, hat der Zustand der Nachtlandschaft eine wichtige Wirkung auf unseren Biorhythmus, aber auch auf den des gesamten Ökosystems und die Biodiversität.
Die negativen Auswirkungen von Lichtemissionen kontaminieren die Dunkelheit der Nacht. Mit dieser „Verschmutzung“ verändern sie großräumig Lebensbedingungen durch erhöhte Himmelshelligkeit. Dies hat starken Einfluss auf Flora und Fauna. Weil viele Organismen nachtaktiv sind, wohl mehr als die Hälfte, an Dunkelheit also angepasst sind, kann Helligkeit zur Todesfalle werden. Ihre Orientierung und ihr Stoffwechsel sind auf Dunkelheit, Mond- und Sternenlicht abgestimmt. Einigen gelingt das, andere sterben als Art aber aus. Fachleute sehen darin eine wesentliche Ursache für weltweites Artensterben durch die Störung der natürlichen Lebensweise von Tieren und Pflanzen. Inzwischen gelten etwa 500 000 Insektenarten als ausgestorben, die biologischen Tag-Nacht-Zyklen vieler Tiere sind beeinträchtigt und auch für Zugvögel stellt das künstliche Licht eine Gefahr dar. Der Zusammenhang von an hellen Lampen sich wirr sammelnden Insekten mit unserer Landwirtschaft, letztendlich unserer Ernährung, ist längst erkannt: ablaufende Gelegenheit uns vor uns selbst zu schützen.

> Licht aus – Wie Kunstlicht die Natur verändert – 3sat-Mediathek

Erdsicht aus dem All

Glaube – Kultur – Erkenntnis

In großen Teilen der Erde können die Menschen den Sternenhimmel nicht mehr sehen, auch die Milchstraße nicht erkennen.
Auf einigen Nordseeinseln, aber auch nordwestlich von Berlin und im südlichen Mecklenburg wird in Deutschland die geringste „Lichtverschmutzung“ gemessen.
Im „Naturpark Westhavelland“ hat sich ein „Sternenpark“ nach den Maßstäben der International Dark Sky Association etabliert. Der Park „Nossentin-Schwinzer Heide“ bemüht sich darum.
Siehe:

Der Sternenpark Westhavelland – Sternenpark Westhavelland

           Sternpark Nossentiner Schwinzer Heide

Stuer liegt dazwischen !

Die um den Plauer See lebenden Menschen könnten den Zustand relativer Dunkelheit und klug eingesetzten Lichtes als einen erhaltenswerten Vorteil erkennen.

Dark-Site-Finder.com- Ausschnitt: Plauer See/ Stuer

 

Light Pollution Map – DarkSiteFinder.com   – Ausschnitt: Plauer See/ Stuer

Worin könnte der kulturelle Wert einer dunklen Nacht bestehen?

Das Deutsche Volks- und Kirchenlied „Weißt Du wieviel Sternlein stehen, an dem blauen Himmelszelt?“ fragt nach umfassender Achtsamkeit. (Der Text stammt von dem evangelischen Pfarrer und Dichter Wilhelm Hey aus dem Jahr 1818.)
Darüber hinaus stellen sich Fragen: Ist Finsternis stets mit Schrecken verbunden? Kann Dunkelheit nur als Gefahr, als angstauslösendes Negative assoziiert werden? Konzentrieren sich Verbrechen nicht dort, wo es überwiegend hell ist?
Wie hell ist eigentlich aufgeklärte Modernität?
Können wir im Dunkeln wirklich nichts sehen?

Mondnacht, Stuer, Mecklenburg, 2018

Die konzentrierte Betrachtung des Sternenhimmels gehört zum ältesten Kulturgut der Menschheit, vor jeder anderen kulturellen Reflexion und Aktivität. Sie hat die Menschen von jeher beeindruckt und Religionen, Kulturen und Künste wesentlich beeinflußt und seit langem die Navigation ermöglicht. „Himmelsscheiben“ und als Observatorien angelegte Ringheiligtümer zeugen davon.

MILCH-Straße, Ella, 4 Jahre

Das weiße Band der „Milchstraße“, in dem die alten Griechen ein Strecke verschütteter Milch sahen, können wir inzwischen als die komprimierte Seitenansicht unserer Galaxis einordnen. So nannten sie es schon, vom altgriechischen „gala“, der Milch abgeleitet. Der neugeborene Herkules hatte nämlich so heftig an Mutter Heras Brüsten gesaugt, dass diese ihn erzürnt von sich stieß. Da kleckern Götter dann schon mal den Himmel voll.

Milchstraße, Stuer, Mecklenburg, 27.10.2019 21:02:05
Milchstraße, Stuer, Mecklenburg, 27.10.2019/ 21:02:05

Die Sternkreiszeichen, die noch heute Menschen unterhaltsam orakelhaft beschäftigen, waren als Fixieransichten in verschiedenen Kulturen göttliche Zeichen. Nach heute möglicher Messung, sind aber beispielsweise die wichtigsten Sterne des (griech.Variante:) Orion Hunderte Lichtjahre voneinander entfernt. Von der Erde aus zieht sich der dreidimensionale Raum in eine flächenhafte Projektion zusammen.

La Constallation d´Orion

Das Gegenteil, nämlich eine rechnergestützte räumliche Ent-zerrung, gelingt zur Zeit gerade rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt einem 6,5 Meter großen, goldbeschichteten Spiegel. Mit diesem James-Webb-Weltraumteleskop fahnden die Himmelsarchäologen gerade nach Zeugen vergangener Epochen. Es dokumentiert dort oben Licht von den allerersten Sternen, von 100 000 Galaxien mit Abermilliarden von Sternen, Quasaren, schwarzen Löchern. . . in der unermesslichen räumlichen Tiefe der Zeit. Deren Licht hat eine bis zu 13 Milliarden Jahre lange Reise hinter sich und bildet jetzt eine Momentaufnahme des frühen Universums ab.

Auch das Sternbild des Orion, hier im sichtbaren und im infraroten Spektralbereich abgebildet, enthält ein ausgedehntes Entstehungsgebiet von Sternen, dessen auffälligste Komponente der mit bloßem Auge sichtbare Orionnebel ist. Zudem dehnt sich das alles mit zunehmender Beschleunigung auch noch aus. Die Ursache dafür soll Dunkle Materie sein, die seit wenigen Jahren erkannt, aber noch nicht verstanden ist. Es bleibt die ewige Frage nach einem Anfang.

 Orion im sichtbaren und im infraroten Spektralbereich

Neben und nach den Griechen ersonnen die Menschen in verschiedenen Gegenden und Kulturen verschlungene Erzählungen und Konstrukte. Eines davon, der Monotheismus, brachte eine gewisse Ordnung und die Straffung der Autorität in das skandalöse Götterdurcheinander und überliefert dies:
„Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis.
und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Es wurde aus Abend und Morgen der erste Tag.“ (Das erste Buch Mose, Kap.1,3 bis 1,5)
Etwas später:
„Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Zeiten, von Tagen und Jahren dienen;
sie sollen Lichter an der Feste des Himmels sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es.“ (1. Mose, Kap. 1,14 und 1,15)
Nachdem er dann die Funktion von Sonne und Mond festgelegt hatte und sie auf ihre Bahn befördert hatte:
„Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie auf die Erde schienen,
Tag und Nacht regierten und das Licht von der Finsternis schieden. Und Gott sah, dass es gut war.“ (1. Mose, Kap. 1,17 und 1,18)

MILCH-Straße, Ella, 4 Jahre
MILCH-Straße, Ella, 4 Jahre

Wir sollten das im eigenen Interesse ebenso halten, wie das in der Genesis Gottes Plan war.
Es könnte für unsere Sternstunden allerdings auch dort oben schwierig werden. Unabhängig von unserer Beleuchtung hier unten, sind dort Tausende Satelliten in Schreibtischgröße geplant, die im Verbund mit Weltraumschrott in enger Umlaufbahn um die Erde, die Ansicht und das Meditieren vermasseln würden.
Mit dem menschengemachten, mit allerlei Aufwand betriebenem Verschwinden von Dunkelheit, handeln wir uns einen großen Verlust ein.

Gut eingepackt auf einer Decke oder einer Liege liegend, maximal im dunklen Winter, kann es für ein Menschen, ein tiefes seelisches Erlebnis sein, hoch zu schauen: auf Meteoriten zu warten (zum Beispiel Mitte August im Sternbild des Perseus) oder den Großen Wagen zu fixieren, den Jeder leicht findet. Vier Sterne davon haben, als Beispiel, etwa die dieselbe Entfernung zu uns. Deren Licht, dass wir jeweils gerade sehen, ging vor achtzig Jahren dort ab.
Bei dieser Gelegenheit könnte man nachsinnen, was damals hier gerade die Menschen beschäftigte.
Oder die Sicht auf die winzige Erde mit einmaligen Lebensgrundlagen für uns, die wir gerade trotzig plündern und verheizen.
In der Unendlichkeit des Alls kreuzen sich alle Religionen und Mysterien, intuitiven und wissenschaftlichen Betrachtungen für Jene, die es sich gestatten:

Staunen.                In STUER und dem südlichen Mecklenburg!

Sonnenaufgang, Stuer, Mecklenburg, 2016

 

Anhang:

Gedanken bei Installieren und Steuern von Lichtquellen können für Einzelne, erst recht Kommunen, dazu auch noch Energie- und Kosteneinsparungen bringen.

(Juni 2020)